A new urban tradition - Sonntagsbraten

-Lydia (Gastautorin)

Zwischen veganen Burgern, Avocado-Missbrauch und Hummus-Überdosis bewegt sich ein Koch der Münchner Gastroszene in eine Richtung abseits der Trendküche. Vincent Fricke beschäftigt sich mit dem Konsum von Fleisch. Er kritisiert die Haltung unserer Gesellschaft gegenüber Tieren und die der Fleischindustrie, die unerschüttert Billigfleisch an Supermärkte weltweit ausliefert. Während die einen auf ihren veganen Lifestyle schwören, lüstern die anderen nach viel Fleisch für wenig Geld. Zwischen preisgünstigen Minutensteaks und Acai Bowls mit Goji-Kokosraspel-Maracuja-Papaya-Mango-Garnitur liegen dennoch viele Alternativen.

Wir klassifizieren unsere Essgewohnheiten meistens in - mit oder ohne - Fleisch, machen uns aber zu selten klar, warum wir es konsumieren und was da denn eigentlich auf unserem Esstisch so landet. Viele Jahre schon setzt Vincent sich mit dem Fleischthema auseinander. Vor allem seine Arbeit im Grillrestaurant Theresa zeigte wie extrem viel Fleisch konsumiert wird - meistens ohne dass Gäste wirklich wertschätzten, was auf dem Teller liegt. Oft und gerne ordert man die teuersten und feinsten Stücke. Die Perversität liegt darin, dass das Tier eben nicht nur aus Entrecot, Lende oder Rump besteht. Ein Rind liefert auch ganz andere deliziöse Ressourcen, wie beispielsweise die Zunge.                                                                                                                            

Von diesem Punkt an sorgt Vincent sich um ein Umdenken und einer grundlegenden Wertschätzung gegenüber Zuchttieren. 

Wir essen zu viel Fleisch und schätzen es zu selten wert.

Bei Kritik alleine bleibt es nicht. Vincent ist einer, der auch tatsächlich etwas verändert. Er nimmt den Kochlöffel selbst in die Hand, sozusagen! Mit Freundin Kristin Arnold und einigen Gastrokollegen, die seine Vision unterstützen, nimmt er sich seiner Herzensangelegenheit an: Der Sonntagsbraten - eine Art neues Genre der Gastro-Avantgarde. Der Sonntagsbraten, der an einigen Sonntagen im Jahr sattfindet, startete als Festmahl für Freunde und Freundesfreunde, die es wagten sich der Fleischkulinarik zu öffnen und das Hüftsteak gerne auch mal gegen Gehirnmousse auszutauschen. Beim Sonntagsbraten geht es aber nicht nur darum, eigenartige Neukreationen vom Tier auszuprobieren, sondern vor allem um den Gedanken das, was wir verzehren, bewusster wahrzunehmen. Fleisch bewusst konsumieren, bedeutet Bescheid wissen über Aufzuchtverhältnisse, wie das Tier gefüttert und wie es geschlachtet wurde. 

From nose to tail & from farm to table.

Der Sonntagsbraten findet in den verschiedensten Lokalitäten statt, meistens im Schwabinger Ausgehviertel rund um die Schellingstraße. Vom Nudo, über Home und der Bodeguita. Dieses Mal: Bar Sehnsucht!                                                                                                                                            

Taghelles Licht strömt in die kleinen Fenster der Bar, es ist Sonntag 13:04 Uhr. Gespannte Blicke durchqueren den Raum. Die Bar ist umfunktioniert zur Vorzeigetheke der selbsteingelegten Kürbisse, dahinter kann man dem Meister beim Anrichten zusehen. Die außergewöhnliche Konzeptidee macht es leicht ins Gespräch zu kommen. „Knochenmark? Das kann ich mir eigentlich lecker vorstellen, aber Füße... Na, die wird i ned essen!“                                                                                                                                

Vor jedem Sonntagsbraten würdigt Vincent seine meist 4 Gänge mit einer Ode an die Bauern, die ihm das gute Tier liefern, die Wälder und Gärten die allerlei Gesundes bieten und natürlich an das Tier selbst, das den Sonntagsbraten zu einem Festmahl macht.  

Durchdacht sind auch die Begleiter eines jeden Sonntagsbratens: Eine feine Auswahl an deutschen und österreichischen Weinen, Biosäften oder auch das Isar Helle bietet sich den Gästen an. Nachhaltigkeit und der Bezug zur Regionalität sind dem Team wichtig und das soll auch das Menü aufgreifen: Der Nierenzapfenfortsatz in der Knochenbrühe stammt von der Metzgerei Graf aus Mundelfing, die Dessert-Quitten vom Obsthof Geiger.

Manch einer würde sich trotzdem gern ausschließlich von Fleisch ernähren, den ganzen Tag an seinem Weber-Grill stehen und sich die Steaks direkt vom Rost in den Mund stopfen. - Vorwort aus dem Sonntagsbraten Kochbuch 

Für alle, die sich tatsächlich dieser großartigen Geschmackswelt öffnen möchte und mal auf das Beefsteak verzichten können, denen sei auch Vincents Projekt „Fleischkonsum“ ans Herz gelegt. Als Popup Restaurant angedacht, startet das Sonntagsbratenteam im Holzkranich vom 6. – 23. März in die zweite Runde und freut sich auf aufgeschlossene Gäste.        

Im Fokus steht auch hier wieder die Verwertung des gesamten Tieres, sei es Knochenmark, Herz oder Gehrin. Das Highlight: Nachhaltiger Fleischkonsum und Fleischgenuss, eine gemeinschaftlicher Tisch und gepresste Hocker aus alten Ausgaben des Superpaper Magazins.

Unsere Bewertung auf einen Blick

Fleischkonsum im
Restaurant Holzkranich
Georgenstraße 105
80793 München

Öffnungszeiten
Montag - Donnerstag: 19.00 - 22.30 Uhr

So findet ihr das Restaurant